Montag, 16. Dezember 2013

Kinderwunsch - die Historie: Hormonstimulation

Mai 2013. Ich sitze ungläubig im Kinderwunschzentrum und schaue auf die Schwester, die mir eine Spritze zeigt: Gonal-f. Zum Glück weiß ich da noch nicht, dass mich diese Spritze lange Monate begleiten wird... Ich habe einen bunten Zettel in der Hand, auf dem der Therapieplan erklärt ist. Da steht zum Beispiel kryptisch: 1.-3. ZT - 25 i.E. - Gonal-f - PEN. Bis jetzt habe ich nur verstanden dass ich mich spritzen soll. Ich, die um jede Blutabnahme einen großen Bogen macht, und beim Anblick einer Spritze Schweißausbrüche bekommt...! Und dann auch noch Hormone...

Kaum draußen auf der Strasse begehe ich ihn das erste Mal: den Google-Fehler. Ich kann ja noch nicht wissen dass es nichts bringt, wenn man die Medikamente, die man verordnet bekommt, googelt! Man findet immer Nebenwirkungen und Horrorgeschichten von anderen Frauen, und hinterher ist alles schlimmer als vorher... Auf jeden Fall lerne ich dass Gonal-f einen Wirkstoff aus der Gruppe der follikelstimulierenden Hormone enthält. Es bringt also meinen Eierstock dazu Follikel zu produzieren, in denen ein Ei heranwächst das später befruchtet werden kann. Ich soll mit einer Dosis von 25 Einheiten beginnen und diese langsam auf 50 Einheiten steigern... und dann, tja, wie der Arzt gesagt hat: "In drei Monaten sind Sie schwanger!"

Wenn ich zurückblicke hört sich das alles so lächerlich einfach an - damals war es Aufregung und Anspannung pur: in der Apotheke den Pen und diverse Pillen abholen ("Was denkt sich die Apothekerin jetzt wohl?") und dafür einen schönen 3-stelligen Betrag bezahlen ("Schluck. Hoffentlich brauche ich die Medikamente nicht öfters"). Daheim das erste mal die Kappe vom Pen abziehen, eine Nadel aufdrehen, die erste Hülle von der Nadel abziehen, die zweite Hülle von der Nadel abziehen - und eine richtige Spritze in der Hand halten ("Nein. Nein. Nein. Niemals werde ich diese Nadel in meinen Körper stecken. Schatz, ich kann das nicht. Ich will nicht. Hilf mir. Aaaah!"). Gutes Zureden von Schatz. Er hat auch Angst vor Spritzen. Er meint ich muss das alleine können (ja, da hat er recht, die nächste Spritze wird nämlich auf einer Geschäftsreise fällig sein, und da kann er mir auch nicht helfen). Er wird Händchen halten und bei mir sein! Die Spritze auf 25 Einheiten drehen (hm, immerhin ist das eine der niedrigsten Dosen die man überhaupt einstellen kann!) Das erste Mal eine Bauchfalte formen ("Ist das richtig so? Geht dann die Spritze nicht in irgendein wichtiges Organ, oder verletzt was? Wie zur Hölle soll da über 1cm Nadel reingehen...?"). Desinfizieren. Die Spritze ansetzen, über die Bauchfalte bewegen, wieder hinlegen. "Ich kann nicht!". "Du kannst das", sagt Schatz. Wieder ansetzen. Ablegen. Gut zureden lassen. Und irgendwann endlich die Nadel in die Bauchfalte schieben. Langsam den Knopf drücken bis die Dosis komplett injiziert ist - und raus damit!

Ich und die Spritze sind uns auch nach mehreren Monaten fremd geblieben. Jeden Morgen habe ich sie aus dem Kühlschrank geholt, meinen Bauch desinfiziert, gespritzt. Mal war es reiner Automatismus und in 5 Minuten erledigt, mal habe ich ewig gehadert. Mal war es ganz einfach und schmerzlos. Mal hat es so weh getan dass ich abgebrochen habe - und dann mit einer neuen Nadel wieder anfangen musste. Mal hat es geblutet. Einmal hat es mir einen faustgroßen blauen Fleck beschert. Ich habe festgestellt dass meine linke Körperhälfte besser geeignet ist als die rechte. Nur ist die linke irgendwann voller alter Einstiche, und dann muss doch die rechte ran. Ich habe gejammert, geklagt und gehadert, und musste trotzdem durch. Ich habe mich im Urlaub vor den Augen von Freunden gespritzt, die immer gesagt haben dass so eine Behandlung doch gar nicht schlimm ist und sie sooo viele Freunde haben die das auch machen. Sie haben dann doch Respekt vor der Spritze gehabt. Ich habe die Spritze mit einem Kühlakku durch die Welt geflogen - morgens in den Koffer, abends in die Minibar, und mit Nadeln im Mülleimer wieder ausgecheckt. Ich habe gelernt dass es in manchen Flughäfen zähe Diskussionen gibt wegen eines Kühlakkus und einer Spritze, und dass andere Sicherheitsleute nicht mal zu merken scheinen dass sich Flüssigkeit im Koffer befindet. Ich habe Dosen gesteigert, meine Arbeit um Ultraschalltermine herum organisiert ("Sie müßten dann am Mittwoch 14 Uhr zum Ultraschall kommen." - "Mittwoch ist schlecht, da bin ich eigentlich in Mailand" - "Tut mir leid, andere Termine haben wir nicht."), gute Ultraschalltermine erlebt (1-3 wunderschöne Follikel) und schlechte (6 reife Follikel, heißt: sofortiger Abbruch, und auf keinen Fall Sex haben - "...oder Sie kommen übermorgen zur Punktion und wir machen direkt eine künstliche Befruchtung")...

Nur schwanger bin ich nicht geworden.

Dienstag, 3. Dezember 2013

Kinderwunsch - die Historie: Der Anfang

Auch wenn dieser Blog erst wenige Tage alt ist - unser Kinderwunschleben existiert bereits seit über zwei Jahren.

Im September 2011 habe ich den letzten Nuvaring entsorgt - jetzt sollte es losgehen. Nicht dringend, schließlich ist so ein gemütliches Leben zu zweit sehr komfortabel. Ausschlafen am Wochenende, große Reisen, einen Sonntag lang nichts tun, viel Geld verdienen, Karriere machen - all das wäre mit einem Kind dahin. Trotzdem wußten wir beide: wir wollen Kinder, und irgendwie ist erst mit einem Kind unser Leben komplett. Idealerweise mit zwei Kindern.

Es passierte aber: nichts. Es hat Wochen gedauert bis ich überhaupt mal meine Tage bekommen habe. Meine Periode hielt einen Zyklus von irgendwas zwischen 40 und 60 Tagen für normal. Von einem Eisprung gar nicht zu reden. Meine Frauenärztin riet zu Geduld, und dazu sicherheitshalber auf Chlamydien zu testen und die Schilddrüse untersuchen zu lassen. Mein Mann riet zu mehr Ruhe und weniger Stress auf Arbeit. Ich dachte: wenn es klappt dann klappt es, und wenn nicht ist unser Leben auch gerade sehr schön. Die nächste Beförderung stand eh gerade an, vielleicht klappt es ja erst danach - wäre ja praktisch. Es klappte nur nicht.

Anfang 2013 sprach ich mit meinem Hausarzt zufällig über unseren Kinderwunsch - und der riet dazu einem Kinderwunschzentrum doch mal einen Besuch abzustatten. Schließlich wäre der Kinderwunsch schon über 1 Jahr alt, und alles über 6 Monate Wartezeit sollte man abklären lassen. Ich dachte: Kinderwunschzentrum? Ich fühle mich doch total gesund... Mein Job macht gerade Spaß, Und so dringend ist es ja nicht. Andererseits, immer nur Warten...

Es folgte im Mai 2013: der Kennenlerntermin im Kinderwunschzentrum. Bis dahin hatten wir ein Spermiogramm besorgt, meine Krankheitshistorie zu Papier gebracht (alles gesund, keine Vorerkrankungen), Überweisungen gesammelt - ein Klacks im Vergleich dazu was an Papierkram noch folgen sollte. Und der Termin lief gut: nach der Blutabnahme hatte der Arzt bereits alle Blutwerte auf dem Tisch, das Spermiogramm sah gut aus ("keine Olympiasieger, tut es aber"), nur mein Hormonhaushalt war etwas lahm. "Keine oder nur eine ungenügende Follikelreifung" heißt das im Fachvokabular. Der Arzt schlug eine Hormonstimulation vor und war sich sicher: "In drei Monaten sind Sie schwanger!"


Kein Kind

Ich bin nicht schwanger. 2h nach dem Bluttest kam der Anruf: negativ. Ich musste mich noch 5h durch den Tag retten im Büro. Zwischenzeitlich fragte mein Mann nach dem Ergebnis. Ich habe versucht abzuwiegeln. Irgendwann nach Hause. Und dann: der Moment in dem ich ihm sagen musste dass es nicht  geklappt hat.

Ich habe 3 Tage im Ausnahmezustand verbracht: tägliche Heulkrämpfe auf der Couch, und eine Laune mit der ich auch den fürsorglichsten Freund vertrieben hätte. Mittlerweile hat sich eine tiefe Traurigkeit breitgemacht, eine große Leere im Magen. Kein Kind.

Bereits nach dem Anruf wußte ich: nicht gleich wieder. Ich brauche eine Pause von all den Hormonen, vorallem aber von der nervlichen Anspannung, der Achterbahnfahrt zwischen Hoffnung und Enttäuschung. Ich kann gerade nicht weitermachen...